G8 – G9
Schülerinnen und Schüler saarländischer Gymnasien werden ihre Allgemeine Hochschulreife bald wieder in einem neunjährigen Bildungsgang von Klasse 5 bis Klasse 13 erwerben. Zusammen mit den Gemeinschaftsschulen, die den neunjährigen Bildungsgang nie verlassen hatten, werden nunmehr alle Schulen mit gymnasialer Oberstufe zu diesem Modell zurückkehren.
Eine vergleichbare Diskussion um die Schulzeit bis zum Abitur hat es bei unserem Nachbarn Frankreich und übrigens auch in vielen anderen Ländern Europas nie gegeben: acht Jahre weiterführende Schule war und ist die Regel. Die Schülerinnen und Schüler aller DFG durchlaufen sehr erfolgreich den achtjährigen Weg bis zum gleichzeitigen Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife und zum frz. Baccalauréat, und stehen damit einer großen Mehrheit europäischer Schülerinnen und Schüler in nichts nach. Auch die neu hinzugekommenen DFG in Strasbourg und Hamburg werden ihren Schülern diesen seit zwanzig Jahren erprobten Weg anbieten.
Das Deutsch-Französische Gymnasium in Saarbrücken musste über Jahrzehnte hinweg einen saarländisch-deutschen neunjährigen mit einem französischen achtjährigen Weg unter einem Dach vereinen, damals allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. An der Stelle der heute integrierten Klassen gab es deutsche Klassen und französische Klassen nebeneinander. Nur in wenigen Fachstunden wurde gemeinsam unterrichtet, und in diesen belastete der Altersunterschied die Identifikation als deutsch-französische Klassen- und Schulgemeinschaft spürbar. Schließlich waren die Schülerinnen und Schüler aus dem Saarland in der Bilanz bereits zwei Jahre an der Schule, bis die französischen Schüler nach 5 Grundschuljahren und mit den acht Schuljahren zum Abitur überhaupt erst an die Schule kamen. Das erfolgreiche Modell mit integrierten deutsch-französischen Klassen war vor ca. 15 Jahren eingeführt worden, und zwar zeitgleich und verzahnt mit der Schulzeitverkürzung um ein Jahr.
Dennoch gibt es Antworten für diejenigen, die für ihre Kinder in jedem Fall oder falls notwendig ein zusätzliches Jahr Schulkarriere in Erwägung ziehen. Schülerinnen und Schüler des DFG, die den neunjährigen Weg für sich in Anspruch nehmen wollen, könnten ein zweites 9. oder 10. Schuljahr durchlaufen. Ein zusätzliches Jahr nicht als Folge einer Nichtversetzung, sondern als reflektierte Entscheidung zu neun Schuljahren. Diese Schülerinnen und Schüler erhalten die Möglichkeit, einige Fächer nochmals in der anderen Unterrichtssprache zu erleben, die Kenntnisse hierdurch zu konsolidieren und mit einer noch größeren bilingualen Kompetenz in den Oberstufenunterricht einzusteigen. Außerdem eröffnet es den an einem Auslandsaufenthalt interessierten Schülerinnen und Schülern, deren Zahl steigt und weiter steigen soll, und deren Bereitschaft wir ausdrücklich unterstützen, nach Rückkehr ans DFG belastungsfrei in den Unterricht der nachfolgenden Klasse einzusteigen.
Im Saarland wird das Fach Informatik in den kommenden Jahren zu einem Pflichtfach für die jüngeren Schülerinnen und Schüler: eine Antwort auf die rasant wachsende Bedeutung digitaler Lebenswelten. Die Schulzeitverlängerung liefert nun die Zeit für die zusätzlichen Stunden. Am Deutsch-Französischen Gymnasium werden wir digitale und informatische Lerninhalte zunehmend in die bestehenden Fächer integrierten. Das Modell der informationstechnischen Grundbildung hat es in dieser Form bereits saarlandweit gegeben und bietet uns die Möglichkeit, das Lernen mit digitalen Tools und das Lernen informatischer Lehrinhalte im Sinne der MINT-Idee mit anderen Fächern fruchtbar zu verbinden, ohne die Stundentafel weiter ausdehnen zu müssen und den G8-Bildungsgang zu überladen. In der Oberstufe bietet das DFG bereits seit langem Informatik als dreistündiges und mögliches mündliches Abiturprüfungsfach an, und auch Arbeitsgemeinschaften in der Sekundarstufe I wie zum Beispiel die Robotik-AG greifen auf informatisches Know-how zurück bzw. fördern entsprechende Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Nicht zuletzt sind Aufgaben aus dem Bereich der Algorithmik ein fester Bestandteil der Brevet-Prüfung, auf die unsere Schülerinnen und Schüler am Ende der Klasse 9 vorbereitet werden und mit einer Quote von fast 100 % bestehen – obwohl das Brevet freiwillig und ohne Folge für den Übergang in die Oberstufe ist!
Aufgrund all dieser Erwägungen und nach vielen Jahren erfolgreichen schulischen Arbeitens in einem auf 8 Jahre ausgelegten Bildungsgang wird die Antwort der Schulpolitik auf die Schulzeitfrage sicherlich eine salomonische sein: grundsätzlich das bewährte und europäische G8, mit einer individuellen pädagogisch oder sprachdidaktisch begründeten Option auf „G8+1“.
Stefan Hauter, Schulleiter