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Der Arabische Frühling: Das Projekt „Motor der Hoffnung“ lädt zum Nachdenken ein

Der Arabische Frühling: Das Projekt „Motor der Hoffnung“ lädt zum Nachdenken ein

Veranstaltung mit Workshops: “Motor der Hoffnung”Eine gute Schule sollte auch die Tagesaktualität im Auge haben, da waren sich alle einig und so kam das Projekt „Motor der Hoffnung“, dank Frau Dr. Boubakri ins Rollen. Ziel war es einen Schultag zu gestalten, an dem sowohl die Thematik der Revolutionen in Nordafrika als auch Sprachunterricht im Mittelpunkt standen: „Faire réfléchir en profondeur à ce qui se passe et pour ne pas suivre ceux qui veulent vous manipuler!“, wie es Monsieur Seitz treffend formulierte. Um die Schüler der Klassen Seconde und Première also zum Nachdenken zu bringen, begann der Morgen mit Vorträgen, die zeigen sollten, wie die Realität hinter der Informationsflut aussieht, wie es den Menschen in Libyen, Tunesien und Ägypten wirklich geht und wie man uns Europäern womöglich Details vorenthält, welche zum Verständnis der dortigen Auseinandersetzungen essentiell wären.

Erste Gastrednerin war Frau Dr. Schiffer vom Institut für Medienverantwortung, die den Schülern die Wirkung der Medien näher brachte. Vielen war bis dato nicht bewusst gewesen, inwiefern sich die kollektive Wahrnehmung durch Bilder verändert und dass es so immer wieder zu einer Verzerrung der Wirklichkeit kommt. Am Beispiel des Bilds des Islams in der Presse stellte sie die Kraft der Medien dar und zeigte, dass verschleierte Frauen und Moscheen oft benutzt werden, um Angststimmung zu verbreiten. Nach und nach würden sich solche Illustrationen in die Köpfe einbrennen, mahnte sie, und dann als die einzige Realität wahrgenommen. Es sei demnach wichtig auch selbständig zu recherchieren und kritisch an neue Informationen heranzugehen.

Mit der Frage „What’s politics?“ begann der Vortrag von Dr. Harlan Koff, Professor für Politikwissenschaften an der Universität von Luxemburg und Gründer von RISC (Regional Integration and Social Cohesion). „What’s politics?“, wiederholte er und startete so eine Diskussion mit den Schülern. In englischer Sprache erläuterte der gebürtige Amerikaner die Rolle der Europäischen Union in Bezug auf die Revolutionen in Nordafrika. „Europe is based on values!“ und deswegen sollte die EU helfen und nicht ausschließen. Es sei wichtig Flüchtlinge aus der nordafrikanischen Krisenregion aufzunehmen: Sie sahen dem Tod in die Augen, nahmen den gefährlichen und beschwerlichen Weg auf sich, wurden in menschenunwürdigen Flüchtlingslagern gepfercht, um jetzt wieder in ihre Heimat geschifft zu werden, weil hier angeblich kein Platz für sie ist? Unmöglich! Für Dr. Koff sind die Argumente der Regierenden nicht ausreichend, er nannte Zahlen, die belegen, dass der Migrantenstrom längst nicht so bedeutend ist, wie die Medien es darstellen. Er bejahte die Frage einer Schülerin, die anmerkte, dass es sehr schwierig sei in diesem Zusammenhang eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind. Dr. Koff merkte aber dennoch an, dass Migranten oftmals besser integriert seien als Einheimische.

Der Vortag vom Finanzjuristen Monsieur Dr. Souhayel Tayeb, drehte sich nun spezifisch um die Revolution in Tunesien. Er stellte die Entwicklung in seinem Heimatland unter anderem durch biographische Elemente eindrucksvoll dar und zeigte den Schülern, wie korrupt und diktatorial das Regime von Ben Ali tatsächlich gewesen ist. Viele Schüler konnten nicht glauben, wie mächtig diese Herrscherfamilie war und wie einfach es ihr gelungen war vom Fußballverein bis zum Bankwesen alles zu unterlaufen, um sich so skrupellos ein riesiges Vermögen aufzubauen. Eine zu würdigende Leistung ist es also, dass es den Regimegegnern gelungen ist diesen Diktator nach 23 Jahren zu stürzen. Die Herausforderung ist es nun eine Regierung zu wählen, die in der Lage ist das Land sowohl politisch, als auch wirtschaftlich zu stabilisieren. Für Dr. Tayeb ist dies nur zu schaffen, wenn das Land dazulernt und sich vom Konzept der Familiengesellschaft wegbewegt. Es sei wichtig, dass qualifizierte Menschen wichtige Posten besetzen, auch wenn sie nicht unbedingt mit ihrem Vorgänger verwandt waren. Zudem sollte Tunesien seiner Meinung nach den Dienstleistungssektor ausbauen, um qualitativ hochwertige Produkte anbieten zu können und so international an Kraft zu gewinnen.

Die drei Redner stellten die Hoffnung der arabischen Völker in den Vordergrund, endlich in demokratischen Staaten zu leben: Frei zu denken, frei zu reden und frei zu sein. Dinge, die für uns Europäer selbstverständlich scheinen, nicht aber für sie. Nach den Vorträgen hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit in Workshops mit den Gästen mehr über die Revolutionen zu erfahren und detaillierte Fragen zu stellen: Wieso man in Europa so spät auf die Ereignisse reagierte oder wie viele Zivilisten bis jetzt bei den teilweise blutigen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen sind. Die aktive Beteiligung der Schüler zeigte, dass ihr Interesse geweckt wurde und sich alle mit dem Thema identifizieren konnten. Es bleibt zu hoffen, dass sie verstanden haben, dass es lohnenswert ist hinter die Kulissen zu sehen, da Dinge nicht immer so sind wie sie scheinen.

Charlotte Meyer, T ES

» zum Artikel in der SZ vom 10. Mai 2011

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